Tiefer Fall von Wikileaks:
Wenn sich selbst Snowden abwendet
Die Enthüllungsplattform Wikileaks ist in der Defensive. Nach heftigen Vorwürfen distanziert sich Whistleblower Edward Snowden von der Plattform. Zu Recht …
Julian Assange
und seine Enthüllungsplattform Wikileaks waren einst gefeierte Stars unter Hackern, Anarchisten und allen, denen die Informationsfreiheit wichtiger war, als diplomatische Geheimnisse von Staaten. Inzwischen aber wenden sich selbst große Teile der Szene von Wikileaks ab.
Das jüngste und bislang prominenteste Beispiel: Edward Snowden distanzierte sich in wohlgewählten Worten auf Twitter von Wikileaks. Den Zugang zu Informationen zu demokratisieren sei niemals wichtiger gewesen als heute und Wikileaks habe dabei geholfen, twitterte der wohl bekannteste Whistleblower der Welt. Dann folgt ein Aber: „Ihre Feindseligkeit gegenüber auch nur der geringsten Kuratierung ist ein Fehler.“
Was Snowden meint: Die Wikileaks-Veröffentlichungen machten zuletzt den Eindruck, als seien sie recht ungefiltert ins Netz gestellt worden. Dabei gelangten auch Daten ins Netz, bei denen keinerlei öffentliches Interesse absehbar ist und die im Einzelfall sogar Menschenleben gefährden könnten. Immer wieder haben Kritiker Wikileaks vorgeworfen, dass in den auf der Plattform veröffentlichten Dokumenten auch Informationen über Quellen zu finden sei. Für Assange ein Armutszeugnis, nimmt er doch für sich in Anspruch, ein Journalist des neuen Zeitalters zu sein. Der Verrat von Quellen ist das größte No-Go im Journalismus überhaupt.
Große Medienaufmerksamkeit erreichte die Online-Enthüllungsplattform Wikileaks einst, als sie militärisch sensible Informationen aus den Kriegen in Afghanistan und dem Irak veröffentlichte, die auch Kriegsverbrechen zeigten. Damals wurden die Daten vor der Veröffentlichung noch aufwändig durch Journalisten von Medienpartnern wie New York Times, Guardian und Spiegel überprüft und gefiltert. Seitdem erschienen noch viele – oft großmäulig daherkommende – Ankündigungen von Wikileaks auf Twitter, auf die dann aber keine welterschütternde Informationen auf der Plattform folgten.
Das hat sich auch mit der angeblichen Veröffentlichung von E-Mails der Erdoğan-Partei AKP vor etwas mehr als einer Woche nicht geändert. Die E-Mails schienen einfach kein besonders brisantes Material zu enthalten – zahlreiche Experten bezweifeln, dass sie aus dem inneren Kreis um Erdoğan stammen. Trotz großer Medienaufmerksamkeit für den Leak folgten keine Enthüllungsgeschichten, die den türkischen Machtapparat gefährlich würden.
Wikileaks reagiert dünnhäutig
Im Gegenteil: Daten, auf die Wikileaks aber per Twitter hinwies, enthielten private Informationen von Millionen türkischen Bürgern – und zwar ohne ein erkennbares öffentliches Interesse. Als die aus der Türkei stammende Professorin Zeynep Tufekci öffentlich darauf hinweist, reagierte Wikileaks dünnhäutig und warf ihr via Twitter vor, eine Erdoğan-Sympathisantin zu sein. Der Mann, der für das Hochladen der Daten verantwortlich sein will, bereut mittlerweile den Upload und hat sie gelöscht. Wikileaks löschte später auch die Links auf die Datensätze.
Auch auf die Snowden-Kritik reagierte Wikileaks erbost und uneinsichtig. Der mutmaßlich direkt von Assange gesteuerte Twitter-Account von Wikileaks warf Snowden vor, er wolle sich bei der möglichen kommenden Präsidentin Hillary Clinton anbiedern, um ihr eine präsidentielle Begnadigung abzuringen.
Wikileaks sieht sich als Vorkämpferin für Informationsfreiheit, die den Mächtigen auf die Finger schaut. Allerdings stellt sich immer deutlicher die Frage: Wer schaut eigentlich bei Wikileaks auf die Finger?
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